Von Rob Sobers, Director of Inbound Marketing bei Varonis
Neben unzähligen Versprechen kommt Google Glass auch mit einigen eher beängstigenden Risiken und Nebenwirkungen. Hier ist meine Liste der 5 möglichen Herausforderungen, mit denen uns Glass konfrontiert:
- UX oder Nutzererleben
- Soziales Unbehagen
- (Fehlende) Privatsphäre
- Obsession
- Menschlichkeit
Nutzererleben
Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen, so dass ich nicht die mittlerweile altbekannte Leier zur User-Experience anstimmen will. Dennoch sollte zumindest auf ein wesentliches Problem hingewiesen werden: Ich kann prinzipiell auf jeden Google-Glass-Träger zugehen, die Worte „OK Glass“ murmeln und damit das Device in den Befehlsmodus versetzen.
Zu den nennenswerten Nachteilen gehören:
- Im direkten Tageslicht ist der Screen nur schwer zu erkennen
- Nach einer gewissen Zeit wird es unbequem bis schmerzlich mit dem hinter Glass liegenden Auge nach oben und rechts zu sehen
- Tragen Sie Glass auf keinen Fall am Steuer. Hören Sie auf mich….
- Die möglichen Sprachbefehle sind begrenzt und müssen ganz genauso formuliert werden, wie von Glass vorgegeben
- Die Lautstärke ist vergleichsweise niedrig – anstelle eines Ohrstöpsels benutzt Glass die Knochenleitung mittels derer Klänge quasi direkt in den Schädelknochen übertragen werden
- Kurze Akkulaufzeiten
Mein Überlebenstipp: Entspannt bleiben! Bei den meisten der aufgezählten Nachteile hat es Google selbst in der Hand. Wir gehen davon aus, dass die Fehler innerhalb der technologischen Entwicklung behoben werden. Was das den Eindruck beim Nutzer anbelangt, sind die Nachteile nicht tiefgreifend oder beängstigend. Es handelt sich schließlich um ein Produkt im Alpha-Stadium aus einer komplett neuartigen Produktkategorie, die vor 12 Monaten nicht ein Mal existiert hat. Dafür ist der erste Eindruck schon ziemlich überzeugend.
Soziales Unbehagen
Haben Sie schon einmal versucht ein Gespräch mit jemandem zu führen, der Glass trägt? Das ist ziemlich unangenehm. Man fragt sich ständig: Ist das Ding eingeschaltet? Werde ich gerade aufgezeichnet? Ruft mein Gegenüber gerade seine E-Mails ab?
http://www.youtube.com/watch?v=8UjcqCx1Bvg
Nur unterhaltsam oder ziemlich nahe an der Realität?
Das unhandliche an Glass wird sicherlich mit der Zeit verschwinden und letztendlich wird Glass mindestens unauffällig in den Rahmen einer Brille eingefasst werden. Damit ist die enervierende Sorge, dass Ihr Gespräch gerade aufgenommen wird oder Ihr Gesprächspartner Sie komplett ignoriert, allerdings nicht aus der Welt geschafft. Mit einem iPhone ist wenigstens offensichtlich, wenn sich Ihr Gegenüber darauf konzentriert statt auf Sie.
Mein Überlebenstipp: Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem viele von uns endlich verstehen, dass wir unser Smartphone manchmal abschalten müssen, um ungeteilte Aufmerksamkeit aufzubringen, muss das auch für Google Glass gelten.
„OK Glass, lass mich jetzt in Ruhe und komm’ gar nicht erst auf die Idee dich zu melden, außer die Zombie-Apokalypse steht vor der Tür.“
(Fehlende) Privatsphäre
Haben Sie auf einer Party oder einer anderen Veranstaltung schon einmal etwas Unpassendes oder Falsches gesagt? Oder ist Ihnen etwas unglaublich Peinliches passiert? Nein? Noch nie? Dann sind Sie vermutlich die oder der einzige. Gott sei Dank geraten diese Momente normalerweise schnell in Vergessenheit. Und das ist auch richtig so. Vielleicht bleiben sie Ihnen im Gedächtnis, aber sicherlich nicht für alle Ewigkeit auf einer Festplatte, von der aus sie sich virusartig ausbreiten können.
Die Akkulaufzeit von Glass erlaubt es prinzipiell Daten pausenlos aufzuzeichnen, sofort zu streamen und sie anschließend in der Cloud zu speichern und zu kopieren. Kombiniert mit den rasanten Entwicklungen im Bereich der Gesichtserkennung (http://blackhat.com/docs/webcast/acquisti-face-BH-Webinar-2012-out.pdf) wird von Privatsphäre und Anonymität nicht mehr viel übrig bleiben.
Kann man sich vor Glass verstecken?
Mein Überlebenstipp: Verstecken ist keine realistische Option. Die gibt es schon bei der Vielzahl existierender Technologien nicht mehr. Erst recht nicht an öffentlichen Plätzen. Halten Sie sich vor Augen: Die Chancen, dass bei einer Veranstaltung mit mehreren Personen am gleichen Ort mindestens eine dieser Personen zumindest Teile der Veranstaltung aufzeichnet stehen mittlerweile nicht schlecht. Wir haben uns angepasst. Hoffentlich überwiegen dir Vorteile der neuen Technologien die Nachteile.
Obsession
Die Frage ist also: Werden wir Google Glass jemals ausschalten oder werden wir Eins mit unseren Geräten und die einstigen Science-Fiction-Vorstellungen Realität?
Gerade weil wir bei Varonis von den positiven Möglichkeiten digitaler Zusammenarbeit fasziniert sind, den Vorteilen neuer Arbeitsgewohnheiten und der Mensch-Computer-Interaktion, haben wir eine Software entwickelt, die genau an dieser Stelle ansetzt sensible Informationen vor denen zu schützen, die keinen Zugriff darauf haben sollten. Wir haben eine Reihe von Studien zu diesen Themen erstellt und alle stützen die Hypothese, dass immer mehr Menschen eine Art digitale Obsession entwickeln:
- 86 % der befragten Personen bezeichneten sich selbst als abhängig von ihren Geräten
- 44 % benutzen die Geräte sogar während der Mahlzeiten
- 22 % betrachten sich bereits als nahezu arbeitssüchtig
- 15 % nehmen beruflich genutzte (mobile) Endgeräte sogar mit in den Urlaub
Mein Überlebenstipp: Abschalten! Glass ist das ultimative Multitasking-Gerät. Wir haben vielleicht das Gefühl, dass wir produktiver sind, wenn wir mehrere Dinge scheinbar gleichzeitig erledigen, aber auf lange Sicht erweist sich diese Arbeitsweise als eher kontraproduktiv. Studien belegen, dass das menschliche Gehirn nicht für ein echtes Multitasking ausgelegt ist. Es ist also an uns Geräte wie Google Glass wirklich auszuschalten: zum einen damit wir selbst produktiver sind, zum anderen damit wir im Sinne der Menschen handeln, mit denen wir interagieren.
Menschlichkeit
Wir müssen verhindern, dass Technologie unsere Menschlichkeit ersetzt. Tragbare Technologien wie Glass sind allgegenwärtig und gleichzeitig eng mit unserem Bewusstsein verbunden. Dadurch haben sie ein hohes Potential die eigentliche menschliche Interaktion in den Schatten zu stellen.
Erlauben Sie mir eine kurze persönliche Geschichte einzuflechten.
Nach dem Studium habe ich meine Ersparnisse zusammengekratzt und mir eine Rucksackreise nach Europa gegönnt. Ich war zum ersten Mal außerhalb der Vereinigten Staaten, und es war mein erster Flug überhaupt. Der Buckingham-Palast, der Louvre, der Petersdom, das Kolosseum – das alles habe ich an jedem Tag der Reise mit eigenen Augen und Ohren förmlich aufgesogen. Ja, ich habe auch eine ganze Reihe von Fotos gemacht, erinnere mich aber vor allem an unzählige Touristen, die den Petersdom ausschließlich durch die Linsen ihrer Videokameras wahrgenommen haben. Sie haben sicherlich alles aufgezeichnet, aber nichts wirklich erlebt.
So wichtig Technologie heute für mich ist, so froh bin ich, dass ich damals noch kein iPhone hatte. Bei der Vorstellung diese Reise oder den Abschluss meiner Tochter durch Google Glass zu „erleben“ wird mir zugegebenermaßen ziemlich mulmig.
Jason Calacanis, amerikanischer Blogger und Internetunternehmer, vertritt dazu einen besonders extremen Standpunkt. Er sagt: „Der Raum zwischen Ihnen und mir ist heilig. Es ist der letzte heilige Ort, den wir heute noch haben. Und Google Glass wird diesen Ort zerstören. Es gibt keine gesellschaftlichen Normen, die dieses Problem lösen werden.“
Ich persönlich glaube, dass er damit einen Schritt zu weit geht. Viele von uns werden in der Lage sein das nötige Gleichgewicht herzustellen.
Mein Überlebenstipp: Finden Sie Ihr Gleichgewicht. In bestimmten Situationen kann Google Glass Ihr Leben erleichtern. Es wird aber viele Momente geben, in denen Sie, Ihre Freunde und Familie deutlich besser dran sind, wenn das verdammte Ding einfach ausgeschaltet bleibt. Halten Sie sich an Googles eigenes Motto: Don’t be evil. Und seien Sie nicht unhöflich. Schenken Sie ungeteilte Aufmerksamkeit.
OK, Glass: Speichern und Blog-Post schließen.
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